Gestartet, getrudelt und vom Himmel gefallen: 189 Tote im Palmenparadies

Am 7. Februar 2015 jährt sich das BirgenAir-Desaster zum neunzehnten Mal. Mit diesem Tag ist wie jedes Jahr ein komisches Gefühl im Landeanflug. Denn nur wenige Wochen vor dem Absturz der Boeing 757 flog ich genau mit dieser Maschine. Derselbe Kapitän steuerte sie.

An sich wäre dieser Umstand nicht besonders erwähnenswert. Allenfalls eine Anekdote. Aber was während des Fluges in die Dominikanische Republik geschah, möchte ich im Hinblick auf das Unglück aufschreiben. Nach dem Start in München war eine Zwischenlandung in Wien vorgesehen. Das harte Aufsetzen war ungewöhnlich, aber zu verschmerzen. Zwei Stunden Wartezeit, weil der Flug überbucht war. Weiter nach Gander, Neufundland. Tanken. Schließlich weiter Richtung Karibik.

Mit einer Flasche Cognac im Rücken

Nachdem wir 16 Stunden unterwegs waren, dann der seltsame Höhepunkt des Fluges: Gut 45 Minuten vor der Landung in Puerto Plata kommt Kapitän Erdem in den hinteren Teil des Flugzeugs. Durch den Raucherbereich zur Bordküche. Er hält einen kurzen Plausch mit den Flugbegleiterinnen. Nach fünf Minuten kehrt Erdem zurück ins Cockpit. Aber was bei den meisten Passagieren für Belustigung sorgt, macht mir ein unangenehmes Bauchgefühl. Der Kapitän tänzelt den schmalen Gang durch die Sitzreihen – mit einer Flasche Cognac. Die hält er hinter dem Rücken und ist offensichtlich gut drauf. Er erntet ein paar Lacher und verschwindet im Cockpit…

Was sollte das? Warum nimmt ein Pilot eine Flasche Schnaps mit ins Cockpit? Ich diskutierte ein wenig mit meiner Frau auf dem Nebensitz und Mitreisenden. Die meisten fanden es weniger lustig. Am nächsten Tag fand ein Treffen mit der Reiseleitung von Öger-Tours statt. Ich meldete den Vorfall und man versprach, sich darum zu kümmern. Nach zwei Wochen war ich wieder zuhause, aber der tänzelnde Kapitän ließ mich nicht los. Kurze Zeit später geschah dann das Unglück, bei dem 189 Menschen starben. Hätte ich – wieder zurück in Deutschland – nachhaken sollen? Eine Behörde, zum Beispiel das Luftfahrtbundesamt, informieren? Hätte es vielleicht die Katastrophe verhindert? Fragen, die ich mir um diese Zeit immer wieder stelle. Aus dem Abschlussbericht der „Direccion General de Aeronautica Civil“ der Dominikanischen Republik geht hervor, dass die Piloten mit einer eher harmlosen Situation überfordert waren und völlig falsch handelten.

Nun – lange her. Ein Zusammenhang zu meinem Erlebnis lässt sich nicht beweisen. Sicher ist es müßig, sich Vorwürfe zu machen. Einer der anderen rund 160 Passagiere hätte ebenso eine Meldung machen können. Das Foto zeigt übrigens das Boarding zu meinem Flug in die Karibik. Mit einem Piloten, der nun zerschmettert tausend Meter tief im Meer liegt.

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Written by Albert

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